Es gibt keine Maikäfer mehr

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Es gibt keine Maikäfer mehr, so sang Reinhard Mey vor Jahren. Er beklagte sich in diesem Lied, dass das neue Parkhaus die alten Bäume mit den Maikäfern verdrängt habe. An die Parkhäuser haben wir uns mittlerweile gewöhnt, an die vielen abgeholzten Hecken haben wir uns gewöhnt, die früher die Felder unterteilt haben. Und mit den Feldern sind auch viele andere Tierarten verschwunden. Benedict Wells hat in diesem Jahr, genauer gesagt am 24. Februar 2021, sein neues Buch Hard Land herausgegeben. Auf der Webseite zu diesem Buch schreibt Wells, es sei in diesen Corona-Zeiten wichtig, dass der stationäre Buchhandel unterstützt werde. Er ruft die Leser dazu auf, die Bücher in Buchhandlungen zu kaufen, „denn gerade in Corona-Zeiten ist es wichtig, den stationären Buchhandel zu unterstützen.“ Die Buchhandlungen würde genau so schnell wie der Onlinehandel liefern, seien immer erreichbar und würden sich über jeden Auftrag freuen. Aus diesem Grund werde sein Buch erstmal nicht als E-Book erscheinen. In einer längeren Antwort auf eine Anfrage auf Facebook führt Wells seine Argumente aus. Er habe erlebt, wie alle Schallplattenläden verschwunden seien, er wolle nicht, dass dies auch die Buchhandlungen treffe.
Nein, Herr Wells, die Buchhandlungen sind nicht immer erreichbar und an vielen Orten hat es gar keine mehr. An vielen Orten hat man zudem erlebt, dass grössere Buchhandlungen die kleineren übernommen haben, dass es zu einer Konzentration gekommen ist, wie wir es überall feststellen in der Wirtschaft. Es ist übrigens erstaunlich, dass Steve Jobs letztlich die Langspielplatte oder die CD mit seinem iPod verdrängt hat – und nicht Microsoft, die Firma, die mächtiger war. Letztlich hat der iPod Jobs dann seinen riesigen Ruhm beschert. Anschließend kam der Film an die Reihe, das Kino ist zwar nicht verschwunden, aber viele – auch Benedict Wells, wie er schreibt, haben während der Pandemie sich an Netflix-Produktionen erfreut. Und jetzt droht dem Buchhandel also der Ruin. Nur, diese Entwicklung ist nicht neu, sie begann in den 90er Jahren, nur hat sie niemand damals ernst genommen. Noch jetzt wird die Entwicklung nicht ernst genommen. Aus diesem Grund ist die Branche stolz, dass im letzten Jahr in Deutschland nur 10% E-Books verkauft worden sind. Aber warum wohl? Weil das Angebot fehlt. Der Buchhandel hat ganz einfach Angst vor dieser Entwicklung und setzt alles daran, dass die Entwicklung nicht stattfindet. Wie wäre es aber, wenn man eine neue Geschäftsidee entwickeln würde? Ein Streaming-Angebot für E-Books? Es wäre höchste Zeit. Die Entwicklung lässt sich nicht aufhalten. Viele Menschen haben keinen Zugang zu gedruckten Büchern oder sie haben Mühe, diese zu lesen. Es gibt sehr viele Gründe, warum man gerne E-Books liest. Und dass man sie nicht in der lokalen Buchhandlung kaufen kann, da kann der Leser nichts dafür. Das Internet hat schon vieles verändert und die Veränderungen werden in schnellem Tempo weitergehen. Da kann Benedict Wells vielleicht ein wenig sein Gewissen beruhigen, aber die Entwicklung lässt sich nicht stoppen. Es ist übrigens absurd, ich habe die Lesung von Benedict Wells anlässlich der Solothurner Literaturtage über das Internet gestreamt. Sein Buch aber ist nicht digital erhältlich. Die Maikäfer sind nicht vollständig verschwunden, nur von dort, wo jetzt die Parkhäuser stehen. Auch die Bücher werden nicht ganz verschwinden, das E-Book wird sie nicht vollends verdrängen, die kleinen Buchhandlungen allerdings werden es sehr schwer haben.

Quelle: Benedict Wells – Buchstart und eine Bitte

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